Interview

Fulgeance

Fulgeance hat mit „Low Club“ sein eigenes Genre definiert. Die Musik des Franzosen steht für ungezwungene Stilvielfalt. Mit bersternder Energie zieht er europaweit durch die Clubs und rockt mit seiner MPD die Crowd. Labels aus Frankreich, Deutschland, Irland, England und Slowenien machten ihm bis jetzt den Hof. Sein Debütalbum „To All Of You“ erschien jedoch 2011 beim Kölner Qualitäts-Indie Melting Pot Music und schindete bei den deutschen Beat-Nerds gehörig Eindruck.

Interview: Georg
Foto: Tobias Hoffmann / PhyreWorX (Twitter)
Links zu Fulgeance: Bandcamp, Soundcloud, Vimeo, Facebook, Twitter

Es hat sich für deine Musik die eigene Genrebezeichnung „Low Club“ durchgesetzt. Was antwortest du, wenn dich jemand fragt, was das ist?
Ich würde es als „Bass Music“ beschreiben. Ich benutze auch viel Bits in meiner Musik, aber der rote Faden durch meine gesamte musikalische Entwicklung hindurch, ist der Bass als Mittelpunkt.

Auf „To All Of You“, deinem Album auf MPM, hast du jeden Song einer Stadt gewidmet, die du auf Tour bereist hast. Wenn du in eine neue Stadt kommst, was beeinflusst dich am meisten? Worauf achtest du besonders?
Momentan reise ich immer mehr und mehr. Aber ich weiß, dass das auch irgendwann wieder weniger wird oder aufhört, deshalb sauge ich einfach alles auf, versuche jeden Moment auszukosten und eine gute Zeit mit den Menschen zu haben, was nicht einfach ist, weil du die meiste Zeit einfach nur müde bist. Ich würde mich als Humanisten bezeichnen und versuche, dass sich nicht alles nur um die Musik dreht, sondern um die Menschen, um ihr Leben, um Essen, um Sex, um was auch immer. Das interessiert mich viel mehr. Außerdem liebe ich es neue Künstler auf der Bühne zu entdecken. Und ich habe eine Menge entdeckt in den letzten fünf Jahren, in denen sich die elektronische Musikszene so stark verändert hat. Etwa Dorian Concept und Broken Chord aus Litauen. Wenn ich dann nach Hause komme, habe ich oft das Gefühl, dass diese Jungs mich längst überholt haben und ich faul geworden bin. Das spornt mich an. (lacht)

Welche Rolle spielt die MPC für dich als Musiker ?
Die MPC als Instrument zu benutzen, bedeutete für mich in allererster Linie eine Möglichkeit, mich auszudrücken. Bevor ich anfing durch die Clubs zu touren, habe ich in meinem Homestudio eher Bass gespielt oder stand an den Turntables. Die MPC habe ich auch benutzt, aber sie hat eher eine untergeordnete Rolle gespielt. Als ich gemerkt habe, wie sehr dem Publikum das Spiel mit der MPC gefällt, habe ich mich mehr damit beschäftigt.

Du wirst oft als hyperaktiver Perfomer beschrieben. Wusstest du, dass hyperaktive Menschen bis zu drei mal mehr von ihrer Umwelt wahrnehmen? Ist das bei dir auch so?
Ja, vielleicht. Jetzt, wo ich älter und reifer werde, fällt mir zumindest auf, dass, während viele Leute um mich herum einfach ihr Leben genießen, abschalten, feiern, faulenzen oder arbeiten, ich viel nachdenke über die Menschen, über das, was ich erlebe, die Situation in den Ländern, in denen ich bin. Ich weiß aber nicht, ob das daran liegt, dass ich mehr wahrnehme, es interessiert mich einfach, wie unterschiedlich die Menschen und Kulturen sind. Meine Reisen sind eher Reisen des Erfahrens und Erfühlens, denn des Sightseeings.


Chico / New Live Version / @ STROM – Copenhagen
from Fulgeance on Vimeo.

Dein Pressetext nennt dich einen „Entertainer by heart“. Bist auch abseits der Bühne der Entertainer-Typ?
Hmmm, also ich reiße jetzt nicht ständig Witze oder so, aber ich interagiere ständig mit den Leuten, auch mit neuen, fremden Leuten, egal ob im realen Leben oder auf Facebook. Ich fahre nicht ins Hotel, dann zur Bühne und dann zurück, oder bleibe nur im Backstage, sondern ich versuche in Kontakt mit den Menschen vorort zu kommen. Und glaube, dass ich den Menschen deshalb positiv im Gedächtnis bleibe. Ein Beispiel: Ich war in fünf Jahren sechs Mal in Deutschland und sieben Mal in Österreich. Die meisten meiner Kollegen waren nur einmal oder zweimal dort. Sie fragen mich, wie ich das mache und ich antworte, dass ich das nicht groß planen muss, sondern es eher auf freundschaftlicher Ebene abläuft. Ich besuche eben Freunde und trete dann auf.

Gibt es gravierende Unterschiede zwischen der deutschen und der französischen Beatmaker-Szene?
Nachdem ich jetzt alle MPM-Jungs kennengelernt habe sowie einige Beatmaker aus Österreich und Osteuropa, muss ich sagen, dass es nicht genug französische Beatmaker gibt, um einen Vergleich ziehen zu können. (lacht) Es gibt auf jeden Fall überall Beatmaker, die den klassischen Film fahren, J. Dilla und so. Und ich liebe es wenn Twit One oder Suff Daddy diesen alten Sound zurückbringen, mit den Rhodes und so. Früher wollte ich den Sound aber nicht machen, weil ich etwas anderes machen wollte. Mein Kumpel dEbruit und ich wollten zum Beispiel etwas mehr Tanzbarkeit in die HipHop-Szene bringen. Heute höre ich wieder The Roots, Slum Village, A Tribe Called Quest und so weiter und denke manchmal, dass ich diese Perfektion aus zwei Akkorden gerne selbst produzieren würde. Man sieht auf jeden Fall, dass Innovation auf beide Arten funktionieren, in dem man von außen etwas hinzufügt, aber eben auch von innen heraus.

Warum veröffentlichst du deine Musik auf einem deutschen Label, auf einem slowenischen Label, aber nicht auf einem französischen? Mal abgesehen davon, dass du ja auch auf deinem eigenen Label „Music Large“ veröffentlichen könntest.
Ich habe sogar schon was mit einem Typen aus Irland und einem aus London veröffentlicht. Das Ding mit unserem eigenem Label ist, dass wir nicht die besten Geschäftsmänner sind. Wir wollten alles veröffentlichen, aber wir konnten nicht. Wir haben es versucht, aber es kam zu Verzögerungen. Und schließlich kamen dann Leute auf mich zu, die interessiert waren an meiner Musik, also habe ich die Chance wahrgenommen. Außerdem verbreitet sich meine Musik dann natürlich noch weiter. Der Kontakt zu MPM kam über LeFto zustande.

Wohin entwickelt sich dein Sound insgesamt?
In letzter Zeit habe ich vor allem versucht Tanzmusik im Low-Tempo-Bereich zu machen. In Zukunft möchte ich noch persönlichere Sachen machen, die aber auch tanzbar sind, etwa mit verrückten Basslines oder überraschenden Strukturen. Ich möchte mehr analoge Instrumente, wie Klavier und Bass benutzen. Ich möchte auch eine Band mit einem richtigen Drummer gründen. Keine Ahnung, ob das alles hinhauen wird, es ist noch ziemlich wirr und lose in meinem Kopf, weil ich gerade auch wieder viel Rock und Postrock höre. Ich möchte mich wieder verändern und versuchen für die Crowd weiter interessant zu bleiben.

Fulgeance – Glamoure by Ease from Fulgeance on Vimeo.

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